Der achtgliedrige Pfad des Yoga- die Asanas

Spätestens seit sich der Trend des Power-Yoga in den 90er Jahren als effektives Fitnesstraining der Superstars und Topmodels verbreitet hat, kennt wohl jeder in der westlichen Welt endlich den Begriff Yoga und verbindet ihn zumeist mit schwierigen und schweißtreibenden Übungen. Schon seit den 60er Jahren werden einige Yogaformen im Westen praktiziert, wobei in den meisten Yogaschulen anfänglich die meditativen und entspannenden Aspekte des Hatha-Yoga im Vordergrund standen.

Was aber bildet den Kern der yogischen Lehre? Und welchem höheren Zweck dienen dabei die Übungen, die so genannten Asanas?

Yoga ist eine uralte indische philosophische Tradition, die sich vor einem hinduistischen und buddhistischen Hintergrund entwickelte, aber mit keiner Religion oder Weltanschauung untrennbar verbunden ist. Die Yogalehre bildet vielmehr eine eigenständige philosophische Richtung, die neben allen religiösen Überzeugungen bestehen kann, da sie keine andere Lehre ausschließt, ablehnt oder auch nur beurteilt. Die schon in den ältesten Upanishaden aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. zum Teil erwähnten Praktiken des Yoga, vor allem Atemtechnik und die Asanas, wurden etwa um 200 v. Chr. erstmals von Patanjali in seinen so genannten Yogasutras niedergelegt. Bei diesen Sutren handelt es sich um 194 kurze Merksätze, die wegen ihrer oft zurückhaltenden und generellen Formulierung viel Raum für Auslegung und Interpretation lassen.

Patanjali unterscheidet 8 Glieder des yogischen Wegs, von denen die ersten 7 Bereiche, in denen der Yogi üben und sich stetig weiterentwickeln soll, schließlich zum Erreichen des 8. Glieds, des angestrebten Dauerzustands, führen sollen. Das Verhalten gegenüber anderen Menschen und das Verhalten sich selbst gegenüber werden durch Yama und Niyama bezeichnet. Die Asanas sollen den Körper kräftigen und gesund erhalten, während Pranayama die Beherrschung und Erweiterung des Atems beschreibt. Schließlich sollen die Beherrschung der Sinne und das Zurückziehen in sich selbst (Pratyahara), Konzentration (Dharana), und Meditation (Dhyana) zu dem höchsten Glückszustand, dem so genannten Samadhi, führen, in dem der Mensch mit sich und seiner Umgebung vollständig eins wird.

Die Asanas stellen insofern ein Mittel zum Zweck dar, als sie den Körper vorbereiten sollen auf höhere Stufen, nämlich Konzentration und Meditation, für die nur ein gesunder, schmerzfreier und starker Körper die idealen Voraussetzungen bietet. Allein um die klassische Meditationshaltung im Lotussitz über einen längeren Zeitraum einnehmen und dabei Entspannung finden zu können, brauchen die meisten Menschen einige Übung. Jeder erwachsene Europäer, der sich einmal am Lotussitz versucht hat, weiß wohl, wie schnell Ungeübten die Beine einschlafen und wie sehr körperliche Beeinträchtigungen oder Schmerzen den Geist ablenken und die Konzentration behindern.
Die Entdeckung, dass die ursprünglich nur als Vorbereitung auf die Meditation gedachten Bewegungen vielfältige positive Auswirkungen auf verschiedene Bereiche der Gesundheit haben können, bewegte Yogalehrer über die Jahrhunderte zu genaueren Beschreibungen und stetiger Erweiterung der Asanas. Schließlich wurde in den letzten Jahrzehnten auch im Westen der grundlegende Zusammenhang zwischen den Bewegungen und der Atemtechnik erkannt.

Heute werden in Europa und den USA hauptsächlich verschiedene Formen des Yoga gelehrt, die ihren Schwerpunkt entweder auf die körperliche oder meditative Seite legen. Viele der Yogaübungen können gezielt bestimmte Beschwerden wie Schlafstörungen oder Stress lindern, allen Asanas sind positive Auswirkungen auf die Durchblutung, die Funktion der Verdauungsorgane und die gesamte Körperhaltung gemeinsam. Vor allem Rückenbeschwerden können durch eine Stärkung der Rückenmuskulatur, die sich beim Yoga nahezu automatisch ergibt, gelindert werden.

Yogaübungen können in jedem Stadium der körperlichen Fitness und auch im hohen Alter noch erlernt werden. Für jede klassische Position finden sich vereinfachte Varianten, die kontinuierlich gesteigert werden können. Es geht schließlich beim Yoga nicht um Können, sondern um das Üben selbst, wofür die Yogalehre genügend Herausforderungen für Jahrzehnte bietet. Wer aber immer im Hinterkopf behält, dass nach der yogischen Philosophie das menschliche Leben auf 100 Jahre konzipiert ist, wird sich leicht damit abfinden, nicht sofort oder in ein paar Wochen auf allen Ebenen perfekt zu sein.

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